Sozialwissenschaftliche Vernunft

Lügen für die Linke. Jörg Rupps Verhältnis zur Wahrheit im Wahlkampf

Bei der Linken liegen nach dem kläglichen Abschneiden der Partei in Sachsen-Anhalt die Nerven schon blank, noch ehe der Bundestagswahlkampf überhaupt Fahrt aufgenommen hat. Zu diesem Schluss muss man kommen, wenn man staunenden Auges liest, was der Ettlinger Kandidat»Kandidierende« der Linken, Jörg Rupp, in den sozialen Medien über einen lokalen politischen Konkurrenten zwitschert, der seiner Partei womöglich ebenfalls Wählerstimmen abspenstig machen könnte.

Der Direktkandidat der Basisdemokratischen Partei für den Wahlkreis 271, Karlsruhe Stadt, Martin Buchfink, hatte dem Journalisten und Blogger Christoph Köhler ein Audio-Interview von 15 Minuten Dauer gegeben, aus dem sich Jörg Rupp zwei Sätze herausgreift, um sich an einer unterirdischen Denunziation zu versuchen.

Auf die Frage des Interviewers: »Wie kann Machtbegrenzung aussehen, dass sie in guter Weise die Freiheit einhegt?« antwortete Martin Buchfink unter anderem:

»Ich finde, Politiker sollten zum Beispiel auch abwählbar sein. Und wichtige Entscheidungen sollten natürlich ganz klar basisdemokratisch von der Basis, also von der Bevölkerung selbst, entschieden werden, durch Abstimmungen und Volksentscheide.«

Buchfink schlägt hier zum einen vor, analog zu dem Misstrauensvotum, das der Bundestag dem Kanzler aussprechen kann, ein Misstrauensvotum einzuführen, das der Wähler einem Abgeordneten aussprechen kann. Die Regeln für das Ausscheiden eines Abgeordneten aus dem deutschen Bundestag wird von § 46 des Bundeswahlgesetzes geregelt, auf den wiederum § 1 des Abgeordnetengesetzes verweist. AbgG und BWahlG sind einfachgesetzliche Bundesgesetze, die die Festlegungen von Art. 38 GG (Bundestag, Abgeordnete, Wahlen) konkret ausgestalten. Eine entsprechende Gesetzesinitiative müsste also nicht einmal die Verfassung ändern, sondern nur das Bundeswahlgesetz.

Auf demselben Wege könnte die Bundesrepublik beispielsweise auch das etablierte Verhältniswahlrecht gegen das im angelsächsischen Raum übliche Mehrheitswahlrecht austauschen, oder die Fünf-Prozent-Klausel ersatzlos streichen, ohne dass dazu eine Verfassungsänderung erforderlich wäre.

Zum anderen schlägt Martin Buchfink vor, dass »wichtige Entscheidungen« der Politik von einer Volksabstimmung getroffen werden sollten. Art. 20 II GG legt sich auf das Prinzip der Volkssouveränität fest, ohne jedoch ein Initiativrecht des Volks vorzusehen. Dennoch wird die Einführung plebiszitärer Mitwirkungsmöglichkeiten von Art. 79 III GG (Änderungen des Grundgesetzes) nicht ausgeschlossen, sie wären also im Prinzip völlig verfassungskonform verwirklichbar.

Was macht nun Jörg Rupp vor dem Hintergrund dieser Rechtslage aus den Aussagen Martin Buchfinks? Die Grafik hat es ja schon gespoilert. Rupp behauptet allen Ernstes:

»Der Kandidat der #Basis, Karlsruhe, Martin #Buchfink, ergeht sich in einem Interview in totalitäre Phantasien von abwählbaren Politiker*innen und Volksentscheiden »in allen wichtigen Fragen« – also Abschaffung der Verfassung.«

Falls Jörg Rupp Gras raucht, sollte er die Sorte wechseln. Er macht aus verfassungskonformen Grundgesetzänderungen und einfachgesetzlichen Gesetzesänderungen nicht nur eine »Abschaffung« der Verfassung, sondern hält die betreffenden Ideen obendrein für »totalitär«. Selbstredend, ohne sein Verständnis von »totalitär« zu definieren, was sich als der nächste Anlass herausstellen könnte, sich vor seinem Grundrechtsverständnis zu fürchten. In Buchfinks Aussagen »Totalitarismus« und eine »Abschaffung der Verfassung« hineinzuhalluzinieren, ist nicht bloß sachlich falsch, sondern in seiner moralischen Selbstüberhebung vollkommen grotesk! Nicht Martin Buchfinks Verfassungsverständnis ist hier in Frage zu stellen, sondern dasjenige von Jörg Rupp, der hier bedenkenlos politische Feindbildpflege über Sachkenntnis stellt.

Man fragt sich, ob ihm eher Unkenntnis der oder Gleichgültigkeit den Fakten gegenüber die Feder führen, weniger fein ausgedrückt: ob er dümmer ist als dreist oder doch eher umgekehrt. Sein Verhalten ist so billig wie schäbig, und es fragt sich, ob das eine Stilvorgabe für den Wahlkampf der Linken sein soll oder in erster Linie Jörg Rupps persönliches Geltungsbedürfnis bedient, und ob die Linke einen solchen Mobber tatsächlich verteidigen möchte, dessen verbale Gewalt und entsicherte Vernichtungswut das einzig »Totalitäre« an dieser Affäre darstellt.

Gerade die Tendenz der politischen Linken im weiteren Sinne (SPD und Grüne inbegriffen), Sachkenntnis durch Gesinnung (und Gesinnungsschnüffelei) zu ersetzen, ist doch – ganz unabhängig von der »Personalie Rupp« – ein wesentlicher Grund dafür, warum sich immer mehr Wähler (und Parteimitglieder) von einer solchen Linken abgewendet haben, die ihr sonst eigentlich gewogen wären. Die exemplarische Arroganz eines Herrn Rupp, die eigene geistige Bequemlichkeit und Halbbildung zum Maß aller Dinge zu erklären, ist ein Symptom dieser betrüblichen Entwicklung.

Wenn eine elfjährige »Jana aus Kassel« sich als »Querdenkerin« mit Anne Frank oder Sophie Scholl vergleicht, dann tritt dem 55jährigen Jörg Rupp der Schaum vor den Mund. Wenn eine bundesverdienstbekreuzte Carolin Emcke auf dem Parteitag einer Partei mit dem Anspruch, die nächste Kanzlerin zu stellen, die Kritik an »Feminist:innen, Virolog:innen, Klimaforscher:innen« mit der Verfolgung von »Juden und Kosmopoliten« (per historischer Implikation: durch Nazis und Stalinisten) gleichsetzt, dann treten der selbsternannten Moralelite dieser Republik Tränen der Rührung in die Augen. Bernd Stegemann hat diese Logik bündig zusammengefasst:

»Mit einem so gestrickten Weltbild hat man eine robuste Antwort auf alle Probleme. Denn wenn die Guten kritisiert werden, gilt das nicht als Ausweis einer vielstimmigen Gesellschaft, sondern es gilt als Beweis, dass die Guten in Gefahr sind. Die Schlechten haben nicht nur eine andere Meinung als die Guten, sondern sie sind auch gefährlich. Der logische Kurzschluss, der dieser Drohkulisse zugrunde liegt, besteht in einem atemberaubenden Zirkel: Wer die Guten kritisiert, muss schlecht sein. Und wer schlecht ist, der ist eine Bedrohung für die Guten. Darum haben die Kritiker der Guten nicht einfach eine andere Meinung, sondern sie sind aufgrund ihrer abweichenden Meinung gefährliche Menschen. Und davor müssen die Guten Angst haben.«

Bernd Stegemann im »Cicero«

Wenn man wie Jörg Rupp über Jahrzehnte in diesem Milieu politisch sozialisiert worden ist, nimmt es nicht Wunder, wenn er in diesem großen, blütenreichen, tropisch dampfenden und an den schlecht durchlüfteten Rändern schon fauligen Sumpf der »Guten« als kleines, konformistisches Licht mit durch die Entengrütze schwimmt. Er ist ja schon bei den Grünen durch Ausfälligkeiten auffällig geworden, als er zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2015 über die FDP-Kandidatin Katja Suding twitterte:

»muss man sich mal vorstellen: mit Titten und Beinen anstatt Inhalten. #fassungslos #fdp«

Titten-Tweet, © 2015 by Jörg Rupp

Ja klar, er hat sich entschuldigt, und ja klar, als damals Grüner hat er auch pflichtschuldigst »Scham empfunden«, aber gelernt hat er anscheinend nichts daraus. Ich schlage daher vor, dass sich Jörg Rupp zur Wiederherstellung der Ehre von Martin Buchfink auf dieselben Manieren besinnt, die ihm auch im Nachgang zu seinem Titten-Tweet wieder eingefallen sind und sich auch in diesem Fall selbst öffentlich als das »Arschloch« zu sein bezichtigt, das er mutmaßlich zutreffend in sich selbst erkannt hat.

Offenlegung: der Verfasser dieses Blogposts ist Mitglied im Kreisverband Karlsruhe der Basisdemokratischen Partei und gehört dem Unterstützungsteam des Wahlkreiskandidaten Martin Buchfink an.

8 Kommentare

  1. Christoph Köhler

    Danke Ingbert Jüdt! Das heilt auf beste Weise Herrn Rupps brachialen Versuch – ohne Notwendigkeit, nur aus reiner Lust am Verletzen anderer -, politisch aktiven Mitmenschen Blessuren zuzufügen; oder besser gesagt: Du führst brillant vor Augen, wie politisch Aktive im Wettbewerb um gangbare Wege gerade NICHT miteinander umgehen sollten und dürfen.

    • Christoph Köhler

      ps: Nicht unerwähnt soll hier auch bleiben, dass im Nachgang zu Herrn Rupps Anwürfen gegenüber Martin Buchfink, meine freundliche (!) Anfrage an ihn, doch seinerseits ein Interview mit mir zu führen, brüsk abgelehnt wurde mit den Worten, ich sei doch BASIS-Mitglied, oder?, und “ich gebe rechten Spinnern keine Bühne. Auch nicht als Interviewenden.”
      Fasse ich die Wendung “rechte Spinner” in ihrer ursprünglichen Wortbedeutung auf, so meint sie “richtige Gedanken-Former” – insofern bin ich Herrm Rupp gar nicht böse, denn ich bemühe mich stets und stetig, “richtige” “Gedankenformen” in meinem Inneren sich “entspinnen” zu lassen, und so mich dem Ideal des Formers richtiger (guter) Gedanken anzunähern.

  2. Guy

    Da meine Wurzeln eher dem Proletariat gehören, hat mein Herz immer für die Linke Seite der Politik geschlagen. Herr Rupp hat sich schon mehrmals auffällig in seiner Region gemacht, indem er mehrmals Menschen beleidigt und beschimpft hat. Ich frage mich wirklich, wie eine seriöse Partei so ein Mensch als Kandidat aufstellen lässt.

  3. Yvonne

    Hervorragend und sprachlich blütenreich witzig geschrieben- Gott sei Dank gibt es noch Menschen mit gehörig Rückgrat, die einem scheinbar „tollwütigem Männlein“ Paroli bieten.

  4. Joachim Beyer-Wagenbach

    Ich halte es da sehr kurz und knackig mit dem Spruch: “Die größten Kritiker der Elche sind selber welche” – heißt: Sie vorsichtig mit dem, was Du über andere sagst, es könnte (und wird!!) mehr über Dich verraten als Dir lieb ist. Herr Rupp demaskiert /entlarvt sich vor allem selbst.

  5. Sophie Phie

    Leider ist dieser Mensch auch verantwortlich für Schüler als Elternbeirat sogar auf Landesebene. Mich würde ernsthaft interessieren wie er sich dort aufführt.
    Gutes kann hier bestimmt nicht wachsen. Vielleicht ist es Zeit ihn dort hinauszukatapultieren.

  6. Gendern, bis der Arzt kommt

    Also die Abwahl von gewählten Abgeordneten halte ich tatsächlich für bedenklich. Wie will man das grundgesetzkonform regeln? Das ist einfach nicht praktikabel. Zumal man der jeweiligen Partei bei der nächsten Wahl das Mißtrauen aussprechen kann, sofern sie nicht adäquat reagiert. Da sollte die Basis noch mal drüber nachdenken.

    Viel viel wichtiger ist die Reduzierung der Fünf-Prozent-Hürde auf drei (oder zwei) Prozent. Das ist doch der eigentliche Skandal. 2013 waren an die 15% der Stimmen zur Bundestagswahl schlicht wertlos.

    So entsteht mehr Dynamik, weniger Verkrustung, weniger Politikverdrossenheit. Nur durch eine simple Gesetzesänderung.

    Und Jörg Rupp ist wohl einer der größten Demokratiefeinde Deutschlands. Wahrscheinlich ist er auch ein glühender Anhänger von Parité-Gesetzen – und damit auch ein Verfassungsfeind.

    In einer Wahl werden Meinungen, politische Ansichten gewählt, nicht Geschlechter. Die es ja sowieso angeblich gar nicht so wirklich gibt, oder?

    Linke beschäftigen sich heutzutage lieber mit weltfremder Esoterik, als sich um die tatsächlichen humanitären Katastrophen wie z.B. Obdachlosigkeit oder Vaterlosigkeit zu kümmern.

    • Ingbert Jüdt

      @GbdAk:

      »Also die Abwahl von gewählten Abgeordneten halte ich tatsächlich für bedenklich. Wie will man das grundgesetzkonform regeln? Das ist einfach nicht praktikabel.«

      Zum einen: wie ich bereits ausgeführt habe, wäre meines Erachtens eine entsprechende Gesetzesinitiative allein schon dadurch grundgesetzkonform, weil die Modalitäten des Ausscheidens eines Abngeordneten aus dem Bundestag durch das GG selbst gar nicht geregelt werden, sondern durch ein »einfachgesetzliches« Gesetz.

      Zum anderen war mein Einwand: auch dann, wenn man die betreffende Idee für unklug hält, ist sie darum noch lange nicht mit einer »Abschaffung des Grundgesetzes« gleichzusetzen.

      Im Übrigen: die Ermäßigung der Fünfprozenthürde auf drei Prozent fände auch mein Wohlgefallen.

      Ob Jörg Rupp auch ein Anhänger von Parité-Gesetzen ist, habe ich noch nicht nachrecherchiert, es würde mich aber auch nicht überraschen.

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