Ein Rezensionsessay zu »Gekränkte Freiheit« von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey

Die Soziologen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey, beide an der Universität Basel, haben ein Buch vorgelegt, das ein beeindruckend breites Panorama kritischer Gesellschaftstheorien unserer »spätmodernen« Gegenwart mit einer erschreckend engstirnigen Anwendung auf die sogenannte »Querdenker«-Bewegung verbindet. Die Argumentation ist diesbezüglich durchgängig in hohem Grade tendenziös, und das analytische Potential der vorgestellten Theorien wird ausschließlich im Sinne einer Feindbilddefinition enggeführt. Insbesondere übersehen die Verfasser geflissentlich, dass sich ihr eigener Ansatz mit Leichtigkeit auch auf ihre eigene so beiläufig wie penetrant zugleich vorgetragene feministische Positionierung anwenden lässt. Dieser Widerspruch erweist sich jedoch als Schlüssel zum Verständnis ihrer Argumentation, insofern sie vor dem uneingestandenen Hintergrund eines »posthistorischen Bewusstseins« der Verfasser transparent wird, demzufolge die liberalen Gesellschaften des »Westens« keine grundsätzlichen Widersprüche mehr in sich bergen, die zu einem dialektischen Umschlag in eine neue Ordnung drängen würden. Das eklatante Auseinanderklaffen des Anspruchs und Potentials einer kritischen Gesellschaftstheorie einerseits und der Realität eines konformistischen hit piece andererseits lässt sich als Symptom einer Verstörung dieser posthistorischen Gewissheit verstehen.

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