Sozialwissenschaftliche Vernunft

Amlinger und Nachtwey bei »Sternstunde Philosophie«

Elmar Diederichs hat mich in einem Kommentar zu meinem vorangehenden Rezensionsessay auf eine Sendung von SRF Kultur vom 26.02.2023 hingewiesen, in der sich Wolfram Eilenberger in einer »Sternstunde Philosophie« mit Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey über »Gekränkte Freiheit« unterhält. Mein Kommentar zu dieser Sendung wuchs beim Zuhören so schnell in die Länge, dass ich einen eigenen Blogpost daraus gemacht habe.

Die SRF-Kultur-Sendung:

»Die neuen Konflikte der Freiheit: Immer mehr Menschen fühlen sich vom Staat gegängelt, gar entmündigt. Und zwar in Gesellschaften, die noch nie so viel Selbstbestimmung ermöglichten wie heute. Warum das so ist und weshalb diese Entwicklung die Demokratien gefährdet, erklären die Soziologen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey.«

In der ganzen Haltung aller drei am Tisch kommt zumindest am Anfang ganz wunderbar zum Ausdruck, wie sehr das Interview ein Weihefestspiel ist und Amlinger und Nachtwey als Brahmanen auftreten. Da passt es auch, dass das Format »Sternstunden« heißt: die verstirnten Halbgötter unserer Kultur lassen sich auf einen medialen Altar nieder, um den Sterblichen ihre Auskünfte zu orakeln. Gegen später lässt immerhin der Moderator (Wolfram Eilenberger) erkennen, dass ihm Schwachpunkte im Argument seiner Gäste nicht ganz fremd sind. Nachtwey kann aber die feministischen Standardmythen runterbeten, ohne dass Eilenberger auch nur auf die Idee kommt, man könnte da was nachhaken.

Die Aussage »Es gibt ein Bedürfnis in der Bevölkerung, dass sich Sprache auch wandelt.« (6:53) steht zwischen einer Erwähnung behördlicher Gendersprachenregelung und dem Gebrauch des »N-Worts«, womit der Unterschied zwischen beidem (Gerechtigkeits-Voodoo vs. direkte Beleidigung) prima verwischt wird. Im Unterschied zum Buch fällt auch ein Detail auf, das nur in der gesprochenen Sprache zur Geltung kommt: »gendergerechte« Schreibweisen, die im Buch mit dem Doppelpunkt als einer Variante des Gender-Gaps auftreten und die in der gesprochenen Sprache korrekterweise eine vernehmbare Unterbrechung (den Gender-Schluckauf) fordern, werden von Amlinger und Nachtwey ohne akustischen »Gap« gesprochen: geschrieben »Soziolog:innen« wird zu gesprochen »Soziologinnen«, das heißt: faktisch sprechen beide im generischen Femininum – weil der Gender-Gap einen Verstoß gegen die Sprachökonomie darstellt.

»Wir sehen das als Element des Fortschrittes, dass mehr Menschen in der demokratischen Öffentlichkeit eine Sprecher:inposition haben. Frauen, People of Color, generell Minderheiten können auch über soziale Medien am politischen Diskurs partizipieren und fühlen sich weniger diskriminiert und nehmen das auch in Anspruch«

(7:24)

Das ist die lupenrein formulierte Amtsideologie der staatlichen und staatsnahen Genderkampagnen. Die subtile Infamie des Arguments liegt darin, dass der moralische Anspruch über das schon seit langem diskreditierte »N-Wort« kommuniziert wird, aber faktisch die Gendersprachneurose damit verteidigt wird. Das ist genau so aalglatt, wie die beiden in der Sendung gekleidet sind.

Eilenberger fragt dann: »Der heutige Widerstands hat nichts Emanzipatorisches in diesem Sinne [der 68er-Zeit]?« (8:30) und wendet später ein:

»In dieser Querdenker-Bewegung – ich finde das Wort gar nicht so günstig, denn vor zehn Jahren war Querdenken noch etwas sehr Positives, heute wird es sehr negativ konnotiert – gibt es doch auch diesen, man könnte fast sagen, ganz gesunden, mündigen Trotz: ›Das geht mir zu weit!‹«.

(10:32)

Nachtwey sagt darauf, dass sie die Unterstellung »Das sind alles Rechte« nicht mitvollziehen, sondern erst mal empirisch draufschauen wollten. Soweit gut. Für Nachtwey wird nun zur »Tragödie«, dass »die traditionellen Herrschaftskritiken aus der ganz breiten Linken ein bißchen ausgefallen sind in diesem Moment« (12:08) Er sieht also durchaus ein Versagen der »linken Herrschaftskritik«, ist aber selbst gar nicht imstande, eine solche Kritik zu liefern – weil das nämlich »Kritik der politischen Ökonomie« sein müsste, deren Sinn er gar nicht mehr versteht.

Er versteht nicht, dass es als Sozialwissenschaftler eigentlich sein Job hätte sein müssen, mit einer solchen »traditionell linken Herrschaftskritik« öffentlich regierungskritisch den Mund aufzumachen! – also das zu tun, was 1968 Leute wie Sartre, Marcuse und Chomsky getan haben. Ihrem eigenen »herrschaftskritischen« Anspruch nach hätten Amlinger und Nachtwey sich öffentlich mit der Querdenker-Bewegung solidarisieren müssen. Sie sind eben bloß »mit ihren Untersuchungen in die Bewegung hineingegangen« (Eilenberger bei 14:03), nicht mit ihrer öffentlichen Stimme.

Ohne dass das jetzt die Schuld von Amlinger und Nachtwey wäre, wird dadurch auch sichtbar: der öffentliche Diskurs ist unfähig geworden, sich auf die »Querdenker«-Kritik zu beziehen, ohne den Gebrauch eines klinischen Reagenzglases dazwischenzuschalten – und das Resultat der klinischen Betrachtung ist dann bloß eine euphemistische Paraphrase jenes anderen ganz und gar nicht diskreditierten N-Worts, dessen Gebrauch sie eigentlich vermeiden wollten.

Das »Erweckungserlebnis«, von dem Amlinger spricht (14:48), ist eben keine irrationale sondern eine rationale Reaktion auf eine staatliche Kampagne, die ganz explizit (»Panik-Papier«) auf die bewusste Inszenierung eines Schocks gebaut war. Und dann zählt sie auf, was alles für eine rationale Reaktion »dieses Herrn« spricht, aber hält dann den »radikalen Verdacht« und die »verallgemeinerte Skepsis« für etwas Religiöses. Und es scheint sie zu erschrecken, dass sich in solchen Reaktionen eine »Selbstermächtigung« ereignet.

Und dann kommt der Moment des Bruchs, in dem man versteht, dass die bürgerliche Öffentlichkeit in unvereinbare Parallelwelten auseinandergebrochen ist, als Amlinger sagt, die Querdenker-Kritik folge »einer sehr, sehr radikalen Steigerungsdynamik, [um] dann auch in imaginäre Welten, in Scheinwelten abzudriften.« (16:34)

Eilenberger hat das Problem des Anspruches von Amlinger und Nachtwey immerhin verstanden und auf den Punkt gebracht:

»›Gekränkte Freiheit‹, das ist ja kein deskriptiver Term. Das ist ja ein diagnostischer Term, von dem man sagen könnte, das ist eigentlich schon genau die Ansprache, die auf diese Milieus so allergisch wirkt. Weil einen gekränkten Menschen, den muss man nicht überzeugen, den muss man therapieren, und in gewisser Weise erhebt man sich in dieser Diagnose schon über ihn.«

(17:05)

Und in der Antwort darauf klingt dann tatsächlich das Moment der »Verstörung« durch, das mir der Schlüssel zu ihrer Vorgehensweise zu sein scheint. Verstörung darüber, wie man nur auf die Idee kommen kann, die »Pandemie-Maßnahmen« überhaupt in Frage zu stellen. Es macht sie fassungslos, dass ein Ingenieur Ivermectin hortet, »ein Pferdeentwurmungsmittel, um sich selbst zu therapieren«. Anstatt sich über die fachlichen Tatsachen kundig zu machen, reagieren sie spontan mit einem wohlstandsbürgerlichen Ekelreflex: »Igitt! Pferdemedizin!« Hier wird das eigene Unverständnis zum Wertmaßstab gemacht, und es wird unausgewiesen in die Beurteilung des Gegenstandes eingebracht.

Beide begreifen nicht, dass ihre Analyse bereits Parteinahme ist, wenn sie nicht in der Lage sind, ihren eigenen Wertstandpunkt, und sei es nur hypothetisch, in Frage zu stellen, sich also im Sinne kommunikativer Rationalität auf den Geltungsanspruch der gegnerischen Seite als solchen einzulassen. Um ihren eigenen Wertstandpunkt allerdings als solchen zu erkennen, müssten sie zum offiziellen Wissen eine Mindestdistanz einnehmen.

Sie sagen ausdrücklich, dass sie »Gekränkte Freiheit« als analytischen Begriff verstanden wissen wollen, aber es ist für sie immer schon ausgemacht, dass diejenigen, die ins »Driften« geraten, irgendwann auch »aus der Kurve getragen« werden, weil sie »nochmal aufs Gas treten«, wenn sie »Widerstand erfahren« (19:00). Der brave Bürger beugt sich nämlich dem Widerstand, den er erfährt, und nimmt ihn als Wink des Schicksals, dass der Staat halt recht hat. Carl Schmitt hätte sich über solchen Dezisionismus gefreut, in dem der Besitz der Macht auch das Recht setzt. Amlinger wundert sich dann darüber,

»dass gerade die Freiheit dieses affektive, emotionale Reibungspotenzial für so viele hat, ne?. Wir möchten aber auch ›Kränkung‹ gar nicht in einem psychopathologischen Sinn verstehen, sondern als Soziolog:innen, dass es bestimmte soziale Strukturen gibt, die eben objektiv diese Kränkung auch auslösen. Ob man dann aufs Gas drückt und sich aus der Kurve tragen lässt ist nochmal ne andere Frage, die wir als Soziolog:innen nur sehr begrenzt beantworten können.«

(19:36)

Die soziologische Kurve kriegen sie hier aber selbst nicht: in ihrem Vorbild, den »Studien zum autoritären Charakter«, steht der Rahmen der Bewertung bereits fest: es handelt sich um die nationalsozialistischen Verbrechen, die keiner gesonderten moralischen Diskussion mehr bedürfen, und nur darum kann sich das Werk von Adorno und Friedeburg auf die empirische Frage nach den Motivationen der damals Handelnden konzentrieren. Adorno interessierte sich für diejenigen, die den Marsch der Eliten ins Totalitäre mitgemacht haben. Amlinger und Nachtwey kommen aber nicht auf die Idee, dass es einen solchen Marsch der Eliten ins Totalitäre auch heute geben könnte, und dass genau das ein Kernpunkt der von der Querdenkerbewegung geübten Kritik ist. Von den beiden muss erwartet werden können, dass sie diesen Unterschied zu ihrer eigenen Studie verstehen und die Wertungsfrage explizit von der Frage der kausalen Erklärung von spezifischem Verhalten durch spezifische Motive zu trennen in der Lage sind.

Eilenberger hat diesen Unterschied grundsätzlich verstanden, wenn er nun (ab 20:15) darauf hinweist, dass die »Studien zum autoritären Charakter« auf eine Zeit Bezug nehmen, in der eine ganze Gesellschaft ins Totalitäre »gedriftet« ist. Aber er überlässt es Amlinger und Nachtwey, über den Gang der Diskussion zu entscheiden. Er spielt auf Schwachpunkte der Argumentation an, aber ohne sie klar zu benennen und ohne die beiden darauf festzunageln. Denn selbstverständlich ist es nicht absurd, von »geheimen Machenschaften« in der Politik zu reden, und es ist auch nicht absurd, »Verschwörungstheorien« aufzubieten, wenn es Anhaltspunkte für Verschwörungen gibt. Wobei ich hier den bekannten Satz von Arthur C. Clarke variieren möchte: »Oligarchie, die weit genug fortgeschritten ist, ist von Verschwörung nicht zu unterscheiden.«

Wo die Maske als Symbol der Entmündigung ins Spiel kommt (ab 27:18), sind die beiden nicht in der Lage, den Gedanken zu wägen, dass sie Ausdruck eines kalkulierten staatlichen Machtmissbrauchs gewesen ist. Dabei verstehen sie durchaus den »anthropologischen« Charakter des Widerstands gegen den Maskenzwang, insofern die Maske den Menschen »gesichtslos« macht. Aber die Verordnung des Maskenzwangs gilt ihnen als staatliche Rationalität, der Protest dagegen als irrationale Kränkung.

Eilenberger fasst eine Kernthese der beiden gut zusammen: »Das eigene Ich wird zum neuen Führer, zum totalen Herrscher« (29:50)

Eilenberger weiter:

»Jetzt sind wir glaub’ ich schon ein bißchen weiter, den Untertitel einholen zu können: ›Aspekte des libertären Autoritarismus‹. Das ›Libertäre‹ heißt, es geht nicht nur um ein liberales Verständnis von freiheitlicher Gemeinschaft oder Gesellschaft, sondern das Ich wird gekränkt durch jede Form der Zumutung durch äußere Normen, weil es sich selbst verwirklichen will. Autoritär ist es, weil es sich selbst als Autorität absolut setzt und keine andere mehr zulässt. Ein wichtiger Aspekt schien mir unheimlich interessant: in dieser Anmaßung des Ich ist ja auch die Wissensanmaßung theoretischer Art. Die sich oft zeigt in geheimen Lehren, in Wissenschaftsskepsis, in alternativen Erklärungsmodellen. Da wird – gegen die Expertokratie macht man sich zum heimgeschulten Gegenexperten, der mit eigenen Theorien dagegenhalten kann. Auch das ist ja ambivalent, man könnte ja sagen, ich will doch mündige Bürger, ich will Bürger, die sich informieren, und andererseits scheint es da doch auch einen dunklen Ausgang in diesem Gang zu geben.«

(42:32)

Das ist Eilenbergers Paraphrase und Zusammenfassung des Arguments seiner Gäste, bei dem er aber den wesentlichen Einwand unberücksichtigt lässt: dass diese »Wissensanmaßung« auf verfemte fachliche Gegenexpertise Bezug nimmt. Dementsprechend geht es nur um die angeblichen inneren Widersprüche (und ihre Ausblendung) in den Theorien der »Verschwörungsgläubigen«, und damit liefert der Gastgeber eine unkritische Steilvorlage für Amlingers Einlassungen ab 46:28: angeblich gehe es beim Widerspruch nur um eine Geste: die Geste der Parrhesia, des »Wahrsprechens«, dem die Inhalte gleichgültig seien gegenüber dem Drang zur Selbstinszenierung mit einem

»Gegenwissen, das gegen das Wissen der Eliten gerichtet ist, was einen Zweifel sät und was auch gleichzeitig eine bestimmte Exklusivität des Wissenden dann nochmal glaubhaft macht … aber was diese Wahrheit letztlich ist, das ist egal.«.

Das ist nun nichts weiter als Amlingers Unterstellung, die gar nicht erst in Betracht zieht, dieses »Gegenwissen« in seinen Geltungsansprüchen inhaltlich aufzugreifen und es als »falsches Wissen« allererst nachzuweisen. Sondern dies wird als Prämisse bereits vorausgesetzt, und insofern ist dieses Argument infam, weil es die eigene Verleugnung der tatsächlichen Beschaffenheit des öffentlichen Diskurses mit der eigenen positionellen Macht des autorisierten Sprechens als ordentlich bestallter Soziologe überspielt.

Für das Fehlen einer »linken Herrschaftskritik«, das sie beklagen, sind sie mitverantwortlich, weil sie sich an der Kampagne beteiligen, alles, was eine solche Kritik ausmachen könnte, als »Verschwörungstheorie« zu denunzieren. Die eine Stelle, an der Eilenberger darauf anspielt (ab 47:42), wird von Nachtwey als »verkürzte Kapitalismuskritik« abgewimmelt, und zwar mit der Unterstellung, diese Kapitalismuskritik sei den Kritikern »eigentlich egal«. Das bedeutet aber nichts anderes, als den Wert von Kritik unabhängig von ihren Inhalten an erschnüffelte Haltungen und Gesinnungen zu koppeln: es gibt »gute« Kapitalismuskritik, die man in ihren Geltungsansprüchen ernst nimmt, und »schlechte« Kapitalismuskritik, der man das verweigert, weil man ja »schon weiß«, was unter wertenden Gesichtspunkten davon zu halten ist. Die Steigerungsform dieser Zumutung im Umgang von »A&N« mit den »gefallenen Intellektuellen«, die ja eine Art von Gegenexpertise verkörpern, wird von Eilenberger leider nicht aufgenommen.

Zum Schluss, in der »Therapie«-Sektion ab 49:50 finde ich noch zwei interessante Punkte: zum Einen erwähnt Eilenberger, dass die beiden selbst ein Kind großziehen, fragt nach der Rolle der Familie für gelingende liberale Sozialisation, und in diesem Kontext analogisiert Nachtwey die »regressiven« Kritiker tatsächlich mit unmündigen Kindern:

»Wir sagen ja dass bei den Personen, die wir als Querdenker:innen analysiert haben, dass sie gerade ihre Abhängigkeit von gesellschaftlichen Institutionen, vom Gesundheitssystem, von der Demokratie, von der Öffentlichkeit, dass sie die ein bißchen vernachlässigen beziehungsweise nicht sehen wollen, und das ist natürlich für ein Kleinkind auch ein Element. Das sieht dann seine unmittelbaren Wünsche und sagt dann: Mama, Papa, warum können die nicht erfüllt werden, und irgendwann muss man dem Kind ja auch begreiflich machen: wir sind natürlich für Dich immer da, aber wir haben ja auch Bedürfnisse, und wir haben auch Begrenzungen, wir können Dir einfach nicht sechs Stunden am Stück ›Drei Fragezeichen‹ vorlesen.«

Und dann fragt Eilenberger noch, wie man denn »guten, mündigen« Widerstand von »schlechten, zersetzendem« Widerstand unterscheiden könne. Da zögern beide erst mal ein bißchen, und schlagen dann vor: »schlecht« ist »das Fehlen eines politisch positiven Horizonts«, was zu »destruktiver Kritik« führt (Amlinger), und »dass eine freie und gerechte Gesellschaft eben auf der Akzeptanz der gesellschaftlichen Abhängigkeit und auch der gesellschaftlichen Verwundbarkeit meines Umfeldes beruht« (Nachtwey).

Im Kontext des Corona-Maßnahmenregimes ist aber klar erkennbar, dass damit immer nur das gehorsame Nicht-Infragestellen staatlich verordneter Maßnahmen gemeint ist. Letztlich wird uns von Amlinger und Nachtwey völlig unkritisch und systemkonform die Unterwerfung unter staatliche Übergriffigkeit als »Gemeinschaft« verkauft. Und das hat einen höchst unangenehmen Beigeschmack von »Volksgemeinschaft«, deren als »Zusammenhalt« geframetes Stillhalten mit den Mitteln totalitärer Repression durchgesetzt wurde.

Das zugleich Faszinierende und Beängstigende an der Argumentation von Amlinger und Nachtwey besteht darin, wie zwei akademische Sozialwissenschaftler gleichsam als Sprechautomaten ihrer akademischen Stellung und der politischen Erwartungen an diese Stellung fungieren, ohne dass ihnen auffällt, wie sehr sie ihren Eigenanspruch als »Kritische Theoretiker« damit performativ, in ihrem tatsächlichen Verhalten, dementieren. Die Produktionsregel ihrer Argumente, die auf den Prinzipien beruht, (a) alle Geltungsansprüche ihrer »Gegenstände« zu verleugnen, sie (b) durch eine Kritik der Motive zu ersetzen und (c) keines dieser beiden Verfahren auf Repräsentanten des Mainstreams anzuwenden, funktioniert so zuverlässig, dass es nahezu keine Aussage in diesem einstündigen Gespräch gibt, die man nicht zerpflücken könnte. Sie machen sich mit sklavischer Treue keiner Übertretung des regierungsoffiziellen Realitätstunnels schuldig, die man ihnen als Rechtfertigung von Querdenker-Standpunkten oder als Akzeptanz von »Verschwörungstheorien« auslegen könnte.

1 Kommentar

  1. elmardiederichs

    Es gibt ein paar Bestrebungen um JB Peterson und Peter Boghossian die Sozial- und Geisteswissenschaften neu aufzubauen. Hast du das auf dem Schirm?

    Was ist mit der ARC-Konferenz im Oktober in London? Fliegst du hin?

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