Über den Bankrott der westlichen Werte (in Arbeit)

Siehe diesen Blogpost: Anti-Fukuyama

Der Mythos vom Patriarchat und der Niedergang des Feminismus

Das ist der Titel einer geplanten Reihe, soweit ich die Zeit finde, sie tatsächlich zu schreiben. Den ersten Band habe ich im Oktober 2019 bei Books on Demand veröffentlicht, nachdem ich jahrelang nebenher daran gearbeitet habe. Seit Ende desselben Jahres schreibe ich an einem Text, der sich dem Konzept nach als der zeitdiagnostische und ideologiekritische Abschlussband der Reihe herausgestellt hat. Ursprünglich sollte der Titel »Der Mythos von der politischen Unschuld des Feminismus« lauten, aber aufgrund der Veränderung unserer Gesellschaft seit dem Frühjahr 2020 hat sich die Themensetzung erweitert.

Band 1: Plädoyer für eine Historisierung

Der Begriff des “Patriarchats” und seine Implikation einer “Jahrtausende langen Unterdrückung der Frauen durch die Männer” ist der fundamentale Gründungsmythos der Zweiten Frauenbewegung und nahezu des gesamten aus ihr hervorgehenden zeitgenössischen Feminismus. Die Geschichte dieses Begriffs vom “Patriarchat” ist mit der Geschichte der neuen Frauenbewegung untrennbar verbunden: die Neue Frauenbewegung der 1960er Jahre konstituiert sich durch die mythopoietische Schöpfung des Bewusstseins, diejenige revolutionäre Bewegung zu sein, die fünf, sechs oder noch mehr Jahrtausende von “Männerherrschaft” an ihr historisches Ende bringe und darin selbst der Schlüssel schlechthin zu einer fundamentalen Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse sei.

Dieses Buch kritisiert den Begriff des “Patriarchats” als einen Mythos im strengen Sinne – als eine mythische Denkform, die eine pragmatische Funktion für die Ursprungserklärung, die Legitimierung und die Bewusstseinsproduktion der Frauenbewegung übernimmt und die bis zum heutigen Tag regelmäßig zur Beglaubigung feministischer Thesen und Geschichtskonstruktionen beschworen wird, deren Behauptungen aber trotz der Bemühungen von zwei oder drei feministischen Generationen niemals empirisch überzeugend begründet wurden.

Ausgehend von der Kritik des Patriarchatsbegriffs plädiert das Buch zudem für eine überfällige Historisierung des zeitgenössischen Feminismus: es ist an der Zeit, ihn als eine selbständige ideengeschichtliche Epoche zu begreifen, die heute an ihr Ende gelangt, weil sie ihre gesellschaftskritische Kraft erschöpft hat. Wie die Emanzipationsbewegungen der Bürger und der Arbeiter vor ihr hat auch die Frauenbewegung das Stadium einer institutionellen Erstarrung erreicht, in dem sie auf eine Logik von Besitzstandswahrung, Feindbildpflege und Machtmissbrauch zusammenschrumpft. Der zeitgenössische Feminismus hat sich von einer ursprünglichen Emanzipationsbewegung in ein Laboratorium kultureller Herrschaftstechniken verwandelt und sich als Kernstück eines ideologischen Verblendungszusammenhangs etabliert, in dem eine Verbindung von Gesinnungsethik und Narzissmus zum neuen Opium des Volkes wird. (nach oben)

Geplante Reihe:

Band 2: Die kulturelle Exzentrizität des Mannes

Mit der Formel von der kulturellen Exzentrizität, der auf Plessners Begriff der exzentrischen Positionalität des Menschen anspielt, ohne ihn direkt zu übernehmen, möchte ich jene zentrische Grundstruktur primitiver Gesellschaften umreißen, welche Frauen in das Zentrum und Männer an die Peripherie oder den »Perimeter« stellt. Diese Struktur hat ihre Ursprünge einerseits in der Hominisation, dem Weg der biologischen Evolution, der zum anatomisch modernen Menschen führt, und ist zugleich ein Grundbestandteil der menschlichen Kultur, die das symbolische Universum einer Homo-sapiens-Gemeinschaft strukturiert. Durch diesen Doppelbezug auf »Natur« und »Kultur« einerseits und die geschlechtsspezifische Zuordnung andererseits eignet sich der Begriff meines Erachtens als Leitidee für die anthropologische und kulturanthropologische Erörterung, die ich in diesem Kapitel durchführen möchte. Insbesondere werde ich mich darin mit der modernen Evolutionspsychologie und ihren Implikationen für die kulturanthropologische und kultursoziologische Perspektive auf das Geschlechterthema auseinandersetzen. Das Kapitel soll auf diese Weise die Grundlage für eine kritische Einschätzung der feministischen Gender-Theorien liefern und eine Einschätzung versuchen, in welchem Umfang geschlechtstypische Verhaltensweisen und Dispositionen biologische Grundlagen haben oder kulturell geprägt sind. Zudem werde ich die These verteidigen, dass die Geschlechterbeziehungen des Menschen anthropologisch auf eine kommunikative Gleichrangigkeit hin angelegt sind, von der soziale Herrschaftsverhältnisse immer schon unterlaufen werden. Ich kehre damit die feministische These um, dass »hierarchische Geschlechterverhältnisse« die Wurzel und der Ursprung von Herrschaftsverhältnissen im Allgemeinen sind und behaupte, dass im Gegenteil in den Geschlechterverhältnissen eine Reserve der kommunikativen Komplementarität angelegt ist, die dafür sorgt, dass sie nur begrenzt als Hierarchie institutionalisiert und genau darum von Herrschaftsverhältnissen nur unvollständig durchdrungen werden können. (nach oben)

Band 3: Der Mythos vom Matriarchat und der Entstehung des Patriarchats

Der unter dem Titel »Matriarchatsforschung« laufende Teil der feministischen Theoriebildung ist nicht nur in den Altertumswissenschaften, sondern auch innerhalb der Frauenbewegung schon früh marginalisiert gewesen. Die damit verbundene Vorstellung einer von weiblichen Werten geprägten Ur- und Frühgeschichte hat jedoch in einer vereinfachten Version nicht nur überlebt, sondern in der Populärkultur eine sehr weitgehende Verbreitung gefunden. Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Grundzüge der Theorien vom Matriarchat innerhalb und außerhalb der feministischen Perspektive noch einmal zu skizzieren. Zugleich beginne ich mit diesem Kapitel eine Reihe von historischen Untersuchungen, die sich in eine zeitliche Anordnung bringen lassen. Dabei deckt dieses Kapitel in etwa den frühgeschichtlichen Zeitraum der neolithischen Revolution ab.

Mit den Matriarchatstheorien verbunden sind Theorien über die Entstehung »des Patriarchats«. Die wichtigsten feministischen Akzente dieser Diskussion sind zum einen die These, dass geschlechtsspezifische Herrschaftsverhältnisse die ersten geschichtlich entstandenen Herrschaftsverhältnisse der Menschheit sind und klassenspezifische Herrschaftsverhältnisse auf diesen aufbauen, zum anderen die These, dass eine patriarchale Kriegerkultur die ihr vorhergehende friedliche und »mit der Natur im Einklang« lebende mutterrechtliche Zivilisation gewaltsam vernichtet habe. Als Urheber dieser gewaltsamen Vernichtung werden proto-indoeuropäische Völker aus der pontisch-kaspischen Steppenregion vermutet. Dieses Kapitel wird sich daher ausführlich mit den altorientalischen Zivilisationen und den wissenschaftlichen Kontroversen um die Indoeuropäer auseinandersetzen. (nach oben)

Band 4: Der Mythos von der männlichen Herrschaft im Patriarchat

Entsprechend meiner eingangs formulierten Grundüberlegung, dass feministische Theorien dazu neigen, die Beziehung der Frau zum Mann mit der Beziehung der Gesellschaft zu ihrer Umwelt und somit Interaktion mit Gesellschaft verwechseln, möchte ich in diesem Kapitel prüfen, ob es gerechtfertigt ist, traditionelle Gesellschaften, die im Bereich der Familie und der Verwandtschaftsbeziehungen eindeutig patriarchale Strukturen aufweisen, darum auch als patriarchale Gesellschaften zu bezeichnen. Hierbei sind die unterschiedlichen Entwicklungspfade zu berücksichtigen, die zu den Institutionen und Staaten des Alten Orients einerseits und der indoeuropäischen Institutionen und Staaten andererseits geführt haben. Insbesondere auch möchte ich den grundlegenden empirischen Befund, den wir mit den Arbeiten von Warren Farrell verbinden, dass nämlich Männer als disposable sex, das »verheizbare Geschlecht« gelten können, systematisch in eine Theorie traditionaler Gesellschaften einordnen. Schließlich möchte ich den Charakter der sozialen Revolutionen einschätzen, die durch das Aufkommen der ethischen Religiosität der großen Erlösungsreligionen – Judentum, Christentum, Buddhismus, Konfuzianismus, Islam – in Gang gesetzt wurden und insbesondere das Augenmerk darauf lenken, wie bereits unter den Verhältnissen traditionaler Gesellschaften patriarchale Geschlechterverhältnisse von Männern und Frauen gemeinsam transformiert worden sind. (nach oben)

Band 5: Der Mythos vom modernen Patriarchat

Ich wende mich in diesem Kapitel gegen die feministische Vorstellung, dass die moderne Gesellschaft als ein Patriarchat verstanden werden könne. Der kritische Grundgedanke entspricht dem, den Christoph Kucklick im Anschluss an Niklas Luhmann entwickelt hat: dass es in einer funktionale differenzierten Gesellschaft nicht mehr möglich ist, dass »Männer« oder »Männlichkeit« das Ganze der Gesellschaft verkörpern oder repräsentieren, und dass statt dessen die Kategorie »Geschlecht« dazu dient, den Unterschied von »Gemeinschaft« und »Gesellschaft« (»Interaktion« und »Gesellschaft« bei Luhmann und Kucklick) zu repräsentieren, weshalb es möglich und folgerichtig wird, die anonymen, funktionellen und tendenziell amoralischen gesellschaftlichen Integrationsprozesse mit einer negativ gewerteten Männlichkeit zu identifizieren, während direkte Interaktionen zwischen Individuen mit den positiven Attributen von Authentizität und Moralität versehen und als »weiblich« aufgefasst werden. Das führt zu einer kopernikanischen Revolution in der Wertung der Geschlechterbeziehungen, und der frühere Modellcharakter des Männlichen wird durch einen Modellcharakter des Weiblichen abgelöst, der sich schließlich in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts durch die feministische Adaption dieser bürgerlichen Wertungshierarchie vollständig entfaltet. (nach oben)

Band 6: Der Mythus des 21. Jahrhunderts: Feminismus als politische Religion

Die Idee, dass der Mann, insbesondere der weiße, heterosexuelle Mann, für alle Übel nicht nur der modernen Zivilisation, sondern der gesamten Menschheitsgeschichte verantwortlich zu machen sei, ist mittlerweile so allgemein verbreitet, dass sie die Spatzen von den Dächern pfeifen. Die Frage ist nicht mehr, ob das der Fall ist, sondern was es damit auf sich hat und was es bedeutet. Zumal sich diese Idee mittlerweile dahingehend verschärft hat, dass mit der Rede von einer »toxischen Männlichkeit« die Giftmetapher ins Zentrum der modernen Kulturkritik zurückgekehrt ist. Vorangetrieben wird diese Idee von der feministischen Bewegung. Diese hat einerseits inzwischen einen schlechten Ruf, andererseits wird ihre Rolle in der modernen Gesellschaft immer noch unzureichend verstanden. Feminismus überwindet nicht die als »männlich« und »patriarchal« verstandene Moderne, wie die Feministinnen selbst beanspruchen, sondern bringt stattdessen jenes Ressentiment der Moderne gegen sich selbst, welches sie seit ihrem Beginn in den Debatten der Aufklärung begleitet, zur vollen Entfaltung. Dabei verwandelt sich das, was Jürgen Habermas in optimistischer Diktion das »Projekt der Moderne« nannte, in ein Projekt der Selbstaufhebung dieser Moderne, welches die Zivilisation auf ihr eigenes, selbstgeschaffenes schlechtes Gewissen zu reduzieren versucht, ohne konstruktiv etwas an ihre Stelle setzen zu können. Das Ressentiment der Moderne gegen sich selbst schlägt um in eine Verzweiflung der Moderne an sich selbst, die in der negativen Ikone des »toxischen Mannes« ihre kulturelle Symbolik findet.

Das »Projekt der Moderne« als Ganzes ist von seinen Anfängen in der Frühaufklärung her auch ein »feministisches« Projekt: in dem Sinn, dass, ausgehend von Descartes und Spinoza, erstmals in der Geschichte der westlichen Zivilisation eine wesenhafte Gleichheit der Geschlechter, nämlich in der prinzipiell gleichen Befähigung zum Vernunftgebrauch, postuliert und, ausgehend von John Locke und Adam Smith, die vormoderne Welt kritisch als Welt patriarchaler Autoritäten verabschiedet worden ist. Zudem kommt es gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu einer »kopernikanischen Revolution« in der Wertung der Geschlechter, indem die Unterscheidung eines entfremdeten von einem nicht entfremdeten Dasein in der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft auf den Unterschied zwischen Mann und Frau projiziert wird. Was Niklas Luhmann als fundamentalen Unterschied zwischen der vormodernen und modernen Gesellschaft herausgestellt hat, die Umstellung von einer Semantik der Hierarchie auf eine Semantik der funktionalen Differenzierung und damit der Komplementarität, gilt wesentlich auch für die Veränderungen im Verhältnis der Geschlechter. Demgegenüber lässt sich die konstitutive Behauptung der vom Radikalfeminismus geprägten neuen Frauenbewegung, die moderne Gesellschaft beruhe auf einem »geschlechterhierarchischen Patriarchat«, empirisch nicht rechtfertigen und beruht auf einer mythischen und gnostischen Erzählung, die sich nach der Veralltäglichung des Radikalfeminismus nicht nur nicht aufgelöst, sondern im Gegenteil als nicht hinterfragte und nicht hinterfragbare Grundüberzeugung im Alltag verankert hat. Diese mythische Hintergrundüberzeugung stützt sich wechselseitig mit massiven empirischen Fehlbilanzierungen in zentralen feministischen Forschungsfeldern.

Doch wo die Not groß ist, wächst das Rettende auch – in Form einer Sakralisierung des Weiblichen als Inbegriff des Nicht-Entfremdeten und Nicht-Zerstörenden der modernen Gesellschaft. Dabei ist Weiblichkeit ein stets von Profanierung bedrohter Tempel: sie kann durch den geringsten lüsternen Blick entweiht und durch die geringste »Mikroaggression« geschändet werden, den subjektiven Standpunkt einer Frau in Frage zu stellen, ist Lästerung, die geringste Dissonanz, die ihrem Selbstbild zugemutet wird, macht sie zum Opfer, die religiöse Devotionshaltung des »listen and believe« ist die einzig legitime Form, Weiblichkeit zu adressieren. Auf diese Weise ist erneut und mit Macht der Irrationalismus einer politischen Religion ins Zentrum der modernen Gesellschaft zurückgekehrt. Ob Feminismus, Antirassismus, Critical Whiteness Theory, Intersektionalismus oder Greta Thunberg: all die von diesen Strömungen gepflegten negativen Zivilisationsmythen haben das liberale Selbstbewusstsein des »Westens« in einem Ausmaß sturmreif geschossen, dass immer mehr vormals Linke und Progressive vor lauter moralischer Selbstzerknirschung das Projekt der Moderne aufzugeben bereit sind und einen im Zeichen der ökologischen Weltrettung operierenden autoritären Bevormundungsstaat als politische Erlösung begrüßen würden. (nach oben)