18. November 2016
Im folgenden recycle ich drei Forenkommentare, die ich zu dem von Bettina und Alexander Hammer verfassten Telepolis-Artikel Rolling-Stone-Journalistin wegen böswilliger Verleumdung verurteilt gepostet habe, zu einem kurzen Artikelchen (auf Blogs sollte ich nicht immer nur Fußlappen publizieren). Dies darum, weil sie aufgrund knapper Nachfragen des heise-Forenten FautduJour inhaltlich vertiefend aufeinanderfolgen und mir ermöglicht (bzw. mich dazu genötigt) haben, ein zentrales Argument ausnahmsweise einmal knapp zu fassen. 🙂
Ausgangspunkt war, dass Bettina und Alexander Hammer im Text des Artikels den Kommentar des für sein ideologisches Hardlinertum berüchtigten heise-Forenten demon driver ausschnittsweise zitiert hatten.
Das Zitat von demon driver lautet:
»Es bleibt auch schleierhaft, wie man die “Idee” überhaupt als Tugend ansehen kann, nach der es hieß, ein Journalist “sollte sich nicht mit einer Sache solidarisieren, sondern berichten”. Ist es wirklich “guter” Journalismus, zwei Seiten eines Konflikts defaultmäßig und ohne Ansehen ihres gesellschaftlichen und sozialen Kontexts und der Auswirkungen ihrer verschiedenen Ansätze und Ziele auf Menschen ernsthaft als gleichwertig anzusehen und entsprechend zu berichten? Nein! Schon allein weil eine solche vermeintliche Nicht-Positionierung nichts anderes ist als eine faktische Unterstützung derer, die ohnehin aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse am längeren propagandistischen Hebel sitzen, und somit tatsächlich alles andere als nichtparteiisch.«
Darauf hatte ich geantwortet:
Was demon driver in dem von den Autoren zitierten Kommentar (und in seinen übrigen Kommentaren) übersieht ist, dass eine saubere, »neutrale« Recherche genau dadurch in dem von ihm gewünschten Sinne parteilich wird, dass sie die asymmetrischen Machtverhältnisse in der Darstellung der Realität durchbricht. Gerade weil »gesellschaftliche Verhältnisse« eine Asymmetrie der Machtverteilung aufweisen, die einen bestimmten Bereich von Fakten ausblenden, ist es der nüchtern berichtende Blick auf die unter- und fehlrepräsentierte Seite der Fakten, der die betreffende Parteilichkeit leistet.
Denn es ist in diesem Sinne parteiisch, Fakten journalistisch zu repräsentieren, die in einem jeweils herrschenden Diskurs gar nicht als Fakten vorgesehen sind. Bei demon driver hat dagegen recht offenkundig die Entscheidung zur Parteilichkeit Vorrang vor einer Prüfung der Fakten.
Und um welche Fakten es sich im Falle von demon driver handelt, ist völlig offensichtlich, wenn man nur ein bißchen mitverfolgt hat, was er so schreibt: es geht um solche Fakten, die vom herrschenden feministischen Diskurs ausgeblendet werden, nämlich die Praxis der auf dieser Grundlage erfolgenden öffentlichen Falschbeschuldigungen, des Totschweigens und der Lügen.
Die Ironie seiner Kritik besteht in diesem Falle genau darin, dass er völlig ignoriert, wie sehr es ein feministisches Establishment ist, dass bezüglich des vom Artikel aufgegriffenen Themas »aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse am längeren propagandistischen Hebel« sitzt. Beim Thema Feminismus ist es demon driver selbst, der sich zum willfährigen Handlanger bestehender Machtverhältnisse macht, weil er den Kontakt zur Realität durch eine scholastische, ideologische Doktrin aus der feministischen Filterblase ersetzt hat.
Daraufhin fragte FautduJour nach:
»Welche Macht hat denn ‘dieser’ Feminismus, dessen Handlanger Demon Driver wäre, den propagandistisch längeren Hebel?«
Meine Antwort: Welche Macht dieser Feminismus in Deutschland hat, siehst Du beispielsweise am einstimmigen »Volkskammerbeschluss« des Bundestages zur Verschärfung des Sexualstrafrechts: die Macht, das Parlament dieser unserer Republik durch die Besetzung eines Themas in der öffentlichen Meinung so weit unter Druck zu setzen, dass es eine aus der juristischen Fachperspektive völlig hanebüchene Strafrechtsverschärfung widerstandslos durchwinkt.
Welche Macht dieser Feminismus in den USA hat, siehst Du beispielsweise an der an amerikanischen Universitäten für den Kampf gegen eine angebliche »Rape Culture« etablierten Paralleljustiz, in deren Kontext auch der hier thematisierte »Rolling Stone«-Artikel gehört.
Oder Du siehst es beispielsweise daran, dass eine narzisstische Lügnerin wie das »Matratzenmädel« Emma Sulkowicz von der amerikanischen Kunstkritik distanz- und kritiklos zur Heldin hochgejubelt wird.
Von der institutionellen Macht, die sich trotz einiger Verbesserungen immer noch in einer einseitig gegen Väterrechte gebürsteten Rechtslage ausdrückt, noch ganz zu schweigen. Und solche Beispiele lassen sich, auch für viele weitere Nationen, nahezu beliebig vermehren.
Erneut FautduJour:
»Welche gesellschaftlichen Verhältnisse sind es, die diesen längeren Hebel wirksam machen?«
Meine Antwort: Die kürzestmögliche Antwort darauf lautet: diese »gesellschaftlichen Verhältnisse« bestehen in der erfolgreichen Institutionalisierung der Frauenbewegung von einer Bewegung zu einem Apparat, wobei »Apparat« hier keine monolithische bürokratische Struktur bezeichnet, sondern eine Vielzahl GOs und NGOs, die auf der Basis einer gemeinsamen Ideologie miteinander vernetzt sind.
Etwas ausführlicher:
Spätestens mit dem Feminismus der sogenannten »Dritten Welle« in den 90er Jahren ist dieser Institutionalisierung endgültig der Durchbruch gelungen, nachdem sie zuvor in eher basisnahen Institutionen wie der Frauenhausbewegung oder der Scheidungsindustrie repräsentiert war. Inzwischen sind diese Netzwerke – was einen Schlüssel zu ihrer Diskursherrschaft darstellt – aber auch im Medienbetrieb fest etabliert.
Teil dieser Diskursherrschaft ist freilich auch das beharrliche Bestreben, den eigenen Erfolg als immer noch völlig unzureichend darzustellen, wie das z. B. Autorinnen wie Bascha Mika oder Anke Domscheit-Berg tun, wenn sie (wörtlich oder sinngemäß) behaupten, in Sachen Gleichberechtigung von Frauen würde sich Deutschland immer noch in der »Steinzeit« befinden.
Der generelle Mechnismus, der dem zugrunde liegt ist kein anderer als der von Robert Michels bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in seiner »Soziologie des Parteiwesens« am Beispiel der Institutionalisierung der Sozialdemokratie beschriebene Vorgang.
Zugespitzt formuliert: die Frauenbewegung ist seit wohl mindestens zwanzig Jahren zu einer feministischen Bonzenherrschaft erstarrt, die sich jedoch immer noch erfolgreich als eine unter Repression und Mißachtung leidende »Bewegung« darstellt, die weiterhin nicht nur der Unterstützung, sondern auch einer immer noch weiter fortschreitenden Ausweitung ihrer Zuständigkeiten und Kompetenzen bedürfe – auch das ein herrschaftssoziologisch typischer Vorgang, wie er von Max Weber im Kontext der »bürokratischen Herrschaft« beschrieben worden ist.
Teil ihrer Erfolgsgrundlage war dabei, dass sie sich (wie das zum Beispiel Nancy Fraser als einer der wenigen weniger dogmatischen Feministinnen aufgefallen ist) bereitwillig ins neoliberale Establishment hat kooptieren lassen, dem sie insofern kongenial ist, als sie wie dieses eine Praxis der Entsolidarisierung mit Verlieren des Turbokapitalismus eingeübt hat, sofern diese das »falsche«, nämlich das männliche Geschlecht haben.
Als weiterer begünstigender Kontextfaktor kommt noch der Aufstieg einer postmodernen sogenannten »Linken« hinzu, die mit wissenschaftlich höchst fragwürdigen theoretischen Versatzstücken wie dem »Intersektionalismus« eine im Gewand des Emanzipationsbegriffs auftretende, faktisch »rechte« Identitätspolitik betreiben, wie man besonders prägnant an ihrer Unfähigheit sehen konnte, im Falle der Kölner Silvesternacht von Migranten ausgehende sexuelle Gewalt zu kritisieren.
Die betreffenden »gesellschaftlichen Verhältnisse« sind also mit einer Kombination aus klassischer Herrschaftssoziologie und jüngerer Diskurs- und Netzwerkanalyse vollständig und treffend beschreibbar.
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