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18. Oktober 2017

Eine Replik auf »kunstproduktions« Blogpost Liebe Maskulinisten (2)

Über Alles Evolution bin ich auf einen Post des Bloggers »kunstproduktion« gestoßen, der einen vorangehenden Artikel von ihm nach Diskussionen daselbst und bei Christian noch einmal zu erläutert, indem er einige seiner Argumente schärfer auf den Punkt zu bringen versucht. Wenn sich Kritiker der Männerrechtler/Maskulisten zur Abwechslung mal auf ausführliche Diskussionen mit uns einlassen, dann will ich einer solchen Diskussion nicht ausweichen. Da mein dortiger Kommentar zu diesem Blogpost etwas länger geworden ist, stelle ich ihn auch hier in leicht erweiterter Form ein.

Ich hangele mich dabei an den Thesen entlang, die ich für die Angelpunkte seiner Argumentation halte.

»Die Logik des Sexismus hat ihre gedankliche Wurzel in der Vorstellung des Menschen als Mann.«

und, dies erläuternd:

»Männer sind normale Menschen, Frauen sind weibliche Menschen.«

Das Problem an diesem Einwand ist nicht, dass er völlig falsch wäre, sondern dass er auf einer Halbwahrheit beruht. Die eigene Gruppe als die »Norm« und das »Normale« zu betrachten, ist kein geschlechtsspezifisches, sondern ein anthropologisch grundlegendes Merkmal des Homo Sapiens. Viele Stammesnamen, mit denen sich primitive Gesellschaften selbst bezeichnen, bedeutet einfach »die Menschen«, und der Fremde, auf den man notfalls mit Waffengewalt losgeht und demgegenüber die Unterscheidung von Binnenmoral und Außenmoral greift, ist fremd nicht gegenüber einem Geschlecht, sondern fremd gegenüber der ganzen Gruppe inklusive der Frauen. Verglichen mit dieser Fremdheit gegenüber den Bewohnern der Exosphäre verblassen alle internen Differenzierungen des Verwandtschaftsverbandes zur Nebensächlichkeit, und diese Fremdheit lässt sich rekursiv auf jeweils größere In- und Outgroups übertragen.

Grundsätzlich ist aber aufgrund der ethnologisch gut belegten Tatsache, dass die Abwertung des Fremden eine allgemein menschliche Eigenschaft ist, eine interne Abwertung des anderen Geschlechts keine Eigenschaft nur eines einzigen Geschlechts. Männer und Frauen können das beide gleich gut, und Frauen sind psychisch ebenso gut dazu disponiert, Feinde der Gemeinschaft der physischen Folter zu unterwerfen wie Männer, man schaue beispielsweise auf die Folter von Kriegsgefangenen bei amerikanischen Indianern.

»Sexismus« hat von daher zunächst einmal nichts mit irgendeinem »Patriarchat« zu tun, sondern es ist die partielle Anwendung des Fremdheitsempfindens auf Angehörige der  eigenen Gemeinschaft. Das in bestimmten Epochen nachweisbare gesellschaftliche Übergewicht eines männlichen gegenüber einem weiblichen Sexismus ist daher die Folge einer historischen Kräfteverschiebung »zugunsten des Mannes« – was ich in Anführungsstrichen schreibe, weil die nächste Perspektivverkürzung mit dieser scheinbar offensichtlichen Feststellung bereits vorprogrammiert ist. Denn wenn innerhalb einer In-Group Männer gegenüber Frauen in eine Position der »Dominanz« geraten, dann hat das spezifische historische Gründe.

»Sicherlich ist es aber für die Entstehung der Vorstellung des Subjektes als männlich und des Objektes als weiblich nicht ganz unerheblich, dass der Teil der Geschichte, in dem diese Vorstellungen entstanden, politisch von Männern dominiert wurde.«

Das trifft zwar zu, aber man darf nicht außer Betracht lassen, wie diese Dominanz zustandekam. Um es auf den Punkt zu bringen: erstens handelt es sich um eine Gewichtsverschiebung in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die das evolutionär entstandene, im »Naturzustand« ausbalancierte Verhältnis zwischen der den Männern zugewiesenen »Exosphäre« und der den Frauen zugewiesenen »Endosphäre« der Gesellschaft in ein Ungleichgewicht gebracht hat. Und zwar nicht aufgrund angeblich besonderer psychodynamischer Eigenschaften des Mannes, wie das vom Feminismus in Konzepten wie einer »männlichen Hegemonialität« und ähnlichen typischerweise unterstellt wird, sondern aufgrund eines im Zuge der neolithischen Bevölkerungsexplosion sowie der nacheiszeitlich klimabedingten Schrumpfung geeigneter menschlicher Lebensräume sprunghaften Anwachsens des in der »Exosphäre«, also zwischen den näher aneinander heranrückenden, zudem sesshaften Siedlungsgemeinschaften, anfallenden politischen Regelungs- und Koordinationsbedarfs.

Und zweitens geschieht diese Gewichtsverschiebung nicht zum Privatvergnügen des Mannes, sondern um des Fortbestands der Gemeinschaft willen, denn der Mann bezahlt dieselbe Entwicklung mit einer sprunghaften Erhöhung seiner Disponibilität: im Verlauf der historischen Entwicklung werden zwar einerseits Frauen konsequenter unterworfen, aber zugleich auch Männer konsequenter verheizt.  Und diese Komplementarität der Kostenbilanzen ist vom Feminismus radikal aus dem Bewusstsein verdrängt worden – in demselben ideengeschichtlichen Prozess, in dem auch klassentheoretische Konzepte zugunsten eines umfassenden Erklärungsanspruchs der Geschlechtskategorie weitgehend unter den Tisch gefallen sind. Das Männer die manifesten Akteure dieser Entwicklung sind, bedeutet nicht, dass sie psychodynamisch ein besonderes Bedürfnis dazu hätten, sondern nur, dass sie in der Position der Exosphäre (bzw. am »Perimeter« der Gemeinschaft) dazu überdeterminiert waren, zumal sie weiterhin von innen mit weiblichen Verhaltenserwartungen konfrontiert bleiben. »kunstproduktion« sieht die Ursachen anscheinend woanders:

»Schon aus dem Umstand aber, dass Frauen Kinder bekommen deren Vätern an einer Garantie auf ihre Vaterschaft gelegen ist, ergibt sich für Männer eine grundsätzliche Motivation, eine Gesellschaft zu errichten, die mindestens die Sexualität der Frauen kontrolliert.«

Das halte ich für die klassische Gestalt des feministischen psychodynamischen Fehlschlusses, mit dem tatsächlich oder vermeintlich »typisch männliches Verhalten« auf eine besondere Struktur der männlichen Psyche zurückgeführt wird. Denn als »grundsätzliche Motivation« ergibt sich hieraus tatsächlich nur der Anspruch, dass die Frau, an deren Versorgung sich der Mann im Rahmen der ursprünglichen Arbeitsteilung beteiligt, ihm nicht untreu sein soll. Und das ist nicht mehr als ein Fairnessgebot, das auch in modernen Gesellschaften mit Gleichheitspostulat nur billig ist. Eine »Kontrolle der weiblichen Sexualität« ist, beispielsweise im Rahmen primitiver Heiratsregeln, die einen »Frauentausch« regeln, ein kollektives, nicht mit einem Sondernutzen für bloß ein Geschlecht verbundenes Ziel, das auf das Überleben der Stammesgemeinschaft zielt. Und ihm komplementär ist die Kontrolle der männlichen Körperkraft und Versorgungskapazität zum Nutzen des Kollektivs, insofern von Mann erwartet wird, dass er sein Leben gegebenenfalls in Jagd und Krieg aufs Spiel setzt. Kommen wir im Lichte dieser Erläuterung nun zur sogenannten »sexistischen Logik«:

»(Männer = Subjekte = Täter. Frauen = Objekte = Opfer.)«

Diese Grundformel des Sexismus ist eine Konstruktion, die einen komplexen Sachverhalt auf ein binäres Schema einschrumpft. Als Konstruktion ist sie tatsächlich real wirksam – aber nicht nur so, wie der Verfasser sich das vorstellt. Denn wäre feministische Theorie tatsächlich eine kritische Theorie der Gesellschaft, würde sie diesen Konstruktionscharakter offenlegen. Gerade davon kann aber keine Rede sein – im Gegenteil: Feministinnen argumentieren so, als seien alle Männer (#yesallmen) tatsächlich Subjekte und Täter und alle Frauen tatsächlich Objekte und Opfer. Das ist jedoch empirisch in keiner Weise zu rechtfertigen. Also sind Feministinnen entweder selbst im universellen Verblendungszusammenhang eines Sexismus gefangen (was sie vehement abstreiten würden) – dann sind sie als Kritikerinnen der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht ernst zu nehmen. Oder aber sie üben hier einen eigenen, genuin weiblichen Sexismus aus, der, grob gesagt, auf einen moralischen weiblichen Suprematismus hinausläuft, der sich zumindest für die moderne Gesellschaft empirisch gut nachweisen lässt, und der eine eigenständige Ableitungsform aus der anthropologisch allgemeinen Tendenz zum Misstrauen gegen Fremde darstellt. Und dann sind sie als Kritikerinnen der gesellschaftlichen Verhältnisse ebenfalls nicht ernst zu nehmen.

Im Fazit bedeutet dies, dass die feministische Perspektive, welche »männliche Dominanz« und einen entsprechend hergeleiteten »Sexismus« zum Ausgangspunkt der Argumentation macht, auf fundamentale und systematische Weise verzerrt ist, nämlich im Sinne einer empirischen Bilanzfälschung zuzüglich Geschichtsklitterung. Woraus sich ergibt, dass die These,

»dass Feministinnen sich … gegen genau die Logik wenden, die all das hervorbringt, unter dem die Maskulinisten zu leiden vorgeben.«

einen kapitalen Fehlschluss darstellt. Feministinnen (mit Ausnahme weniger kluger Feministinnen, die sich jedoch selbst dem Vorwurf des »Antifeminismus« ausgesetzt sehen) kritisieren diese Logik nicht nur nicht, sondern wenden sie selber an. Und auch die Zwischenüberschrift lässt sich in diesem Sinne umkehren: der Vorwurf »einer Wut, die sie am Denken hindert«, trifft die Feministinnen ebenfalls selbst. Das lehrt die Erfahrung von Männern mit mittlerweile fünfzig Jahren »Neuer Frauenbewegung«.