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(21. April 2015)

Ich nehme hier Bezug auf einen Kommentar von Findelfuchs, der sich auf Roy Baumeister bezieht:

»Baumeister sagt, dass weder Männer noch Frauen in Kulturen unterdrückt werden, sondern Kulturen sozusagen sowohl Frauen als auch Männer unterdrücken, jedoch auf unterschiedliche (und deshalb effiziente) Weise: Durch die evolutionären Grundlagen (Frauen als Flaschenhals der Reproduktion) ist es für Kulturen nützlich für alle gefährlichen, schweren oder mit der Gefahr des Scheiterns verbundene Aufgaben Männern zu übertragen, weil sie in Bezug auf die Reproduktion ersetzbar sind und sie stärker motivierbar sein werden, wenn ihre Funktionalität an den Erwerb von Status und Ressourcen gekoppelt wird, da ihnen dies das finden einer Partnerin und die Reproduktion ermöglicht. Frauen sind dagegen nicht ersetzbar und müssen geschützt werden und sind weniger stark für diese Aufgaben zu motivieren, da sie auch Sex bekommen und sich Reproduzieren können, ohne einem Mann Beschützer- und Versorgerqualitäten signalisieren zu müssen.

Es sind also die Effizienzbedingungen für das Überleben von Kulturen die Frauen Zuhause einsperren und Männer auf dem Schlachtfeld verbluten lassen«

Ich denke, dass Baumeisters Argument in die richtige Richtung geht: Männer sind (in Farrells Worten) »the disposable sex«, was ich mal mit »das verbrauchbare Geschlecht« frei übersetzen möchte. Da aber diese Grundkonstellation anthropologisch fixiert ist, aber »patriarchale Verhältnisse« dennoch nicht der Normalfall unter primitiven Gesellschaften sind, muss man spezifische historische Bedingungen hinzuaddieren.

Diese – so kann man m. E. plausibel argumentieren – liegen in Gestalt der neolithischen Bevölkerungsvermehrung und -verdichtung vor, eine durch den klimatischen Wandel (Ende der Eiszeit) eingeleitete Kombination von Bevölkerungswachstum und Reduzierung der Lebensräume.

Zur ursprünglichen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung gehört die Zuweisung des sozialen Binnenraums zu den Frauen und des Außenbereichs und der Außenkontaktzone zu den Männern. Unter Bedingungen der Bevölkerungsverdichtung findet der größte, wichtigste, dynamischste und am stärksten Lernprozesse anregende (oder erzwingende) Teil der sozialen Interaktion in der den Männern zugeordneten Außensphäre statt.

Hinzu kommt, dass der Mensch evolutionär nur auf ein Leben in Kleingruppen hin geprägt wurde, woraus folgt, dass jeglicher Fortschritt zu Kooperationsbeziehungen und Konfliktbewältigungsstrategien in größeren Zusammenhängen nur als Ergebnis von kulturellem Lernen möglich ist. Die Hauptlast des kulturellen Entwicklungsdrucks liegt somit auf der Sphäre der Männer, die auf diese Weise ebenso »privilegiert« herausgefordert wie systematisch überfordert sind.

Zusätzlich zu den ökonomischen Theorien, die das Wachstum der Produktion und des gesellschaftlich verfügbaren Surplus als notwendige Bedingungen für das Entstehen komplexer Gesellschaften erklären, haben wir damit ein kulturtheoretisch beschriebenen Zusammenhang als hinreichende Bedingung dafür, dass komplexe Gesellschaften sich über männliche Herrschaft organisieren.

Aphoristisch zugespitzt: Männer entzünden gleichermaßen das Licht der Zivilisation wie das Feuer des Krieges, und in beiden Feuern sind sie selbst das primäre Brennholz.

Dass sich die nun entstehenden Sozialordnungen aus der Perspektive der Frauen als »Patriarchat« darstellen, ist zwar folgerichtig, aber dennoch nur die halbe Wahrheit. Denn der Patriarchatsbegriff reduziert auf Interaktionsverhältnisse zwischen Männern und Frauen, was eigentlich eine externe, ökologisch induzierte Gewichtungsverschiebung, ein Systemprozess zwischen weiblicher und männlicher Tätigkeitssphäre im Verhältnis zu deren beider gemeinsamer Umwelt ist. Und keines der beiden Geschlechter verfügt über das nötige Wissen, um diesen Prozess (den man durchaus als ein historisches Verhängnis betrachten kann) zu durchschauen und reflektierend zu überwinden.

Zudem sind psychologische und soziobiologische Erklärungen gleichermaßen unzureichend, die den Gang der zivilisatorischen Entwicklung aus den personalen Eigenschaften (Körperkraft, Aggressionspotenzial, »Hegemonialität«, you-name-it) von Männern ableiten wollen. Solche Dispositionen sind zwar notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen für die ablaufenden sozialen Prozesse. Erst die Berücksichtigung der extern (»ökologisch«) induzierten Gewichtungsverschiebung zwischen den Sphären der ursprünglichen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung liefert hinreichende Bedingungen.

Und darum ist auch das Ende bzw. die Überwindung der betreffenden Gesellschaftsordnungen nicht über eine psychologische und/oder moralische Reform des Mannes zu erreichen, sondern nur über die Etablierung eines pazifizierten und nach Prinzipien der Fairness organisierten globalen Interaktionsraums – gewissermaßen als Schlusspunkt einer Evolution der männlichen »Exosphäre«.